Rechtsschutzversicherung: Unverzüglichkeit der Leistungsablehnung
Eine Leistungsablehnung wegen fehlender Erfolgsaussicht oder Mutwilligkeit ist unverzüglich innerhalb von höchsten 3 Wochen mitzuteilen.
1. Der Rechtsschutzversicherer ist verpflichtet, dem Versicherungsnehmer eine Leistungsablehnung wegen fehlender Erfolgsaussicht der Rechtsverfolgung oder Mutwilligkeit unverzüglich unter Angabe von Gründen schriftlich mitzuteilen. Unverzüglich ist eine Leistungsablehnung nur innerhalb einer Frist von höchsten drei Wochen, die mit der vollständigen Unterrichtung über den Streitstand beginnt (Rn.26)(Rn.27).
2. Die getrennte (außergerichtliche) Inanspruchnahme von zwei an einer Kapitalanlage beteiligten Banken (als Treuhandkommanditistin der Fondsgesellschaft bzw. als Anlagevermittler) wegen Schadensersatzansprüchen auf Grund Falschberatung im Rahmen der Anlagevermittlung, die vergütungsrechtlich als eine einheitliche Angelegenheit i.S.d. § 15 RVG anzusehen ist, verstößt gegen die Kostenminderungsobliegenheit nach § 15 Abs. 1 Buchst. d DBuchst. cc ARB 1975 mit der Folge, dass der Rechtsschutzversicherer hinsichtlich der durch das getrennte Vorgehen verursachten anwaltlichen Mehrkosten leistungsfrei ist (Rn.29)(Rn.30).
Tenor
1. Die Beklagte wird verurteilt, der Klägerin für die gesamtschuldnerische Inanspruchnahme der ... bank ... eG sowie der ... Bank AG aufgrund der Vermittlung einer Beteiligung an dem geschlossenen Immobilienfonds ... Immobilien-Anlage 26 sowie dem geschlossenen Immobilienfonds ... Immobilien-Anlage 30 Versicherungsschutz für die Durchführung des gerichtlichen Verfahrens in 1. Instanz zu gewähren.
2. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
3. Von den Kosten des Rechtsstreits tragen die Klägerin 1/3, die Beklagte 2/3. Die Klägerin hat die durch die Anrufung des örtlich unzuständigen Landgerichts Heilbronn entstandenen Kosten zu tragen.
4. Das Urteil ist für beide Parteien vorläufig vollstreckbar. Beiden Parteien wird nachgelassen, die Vollstreckung des Gegners durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des vollstreckbaren Betrages abzuwenden, wenn nicht der Gegner seinerseits vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.
Streitwert: 5.294,72 Euro.
Tatbestand
Die Klägerin verlangt von der Beklagten die Freistellung von Rechtsanwaltsgebühren sowie eine Deckungszusage für die Durchführung eines gerichtlichen Verfahrens.
Die Klägerin hat im Jahr 1980 bei der Beklagten unter der Versicherungsschein-Nummer 75.691.470/261 einen Rechtsschutzversicherungsvertrag abgeschlossen. Vereinbart wurde eine Deckungssumme in Höhe von 50.000,00 DM. Unter der Wagniskennziffer 14 wurde der Familie- und Verkehrsrechtschutz mit Vertragsrechtsschutz und unter der Wagnisziffer 17 der Rechtsschutz für Grundstückseigentum laut Antrag versichert. Technischer Versicherungsbeginn war der 01.02.1981 (vgl. Versicherungsschein vom 19.01.1981, Anl. K 1). In der Folgezeit gab es diverse Vertragsanpassungen, zuletzt die Vertragsänderung von 29.08.2007, mit Beginn zum 01.09.2007.
Die Klägerin zeichnete im Jahr 1990 auf Vermittlung der ... bank ... eine Beteiligung an dem geschlossenen Immobilienfonds ... Immobilien-Anlage 26 "Wachstumsfonds Ost" in Höhe von 20.000,00 DM zuzüglich Agio. Die Beteiligung wird treuhänderisch von der ...-Bank AG in ... gehalten. Des Weiteren zeichnete die Klägerin bei der ...-Bank über die ... bank ... eine Beteiligung an dem geschlossenen Immobilienfonds 30. Die Zeichnung der ... Immobilien-Anlage 26 sowie der ... Immobilien-Anlage 30 erfolgte auf Anraten der ... bank ..., bei welcher es sich zum damaligen Zeitpunkt um die Hausbank der Klägerin handelte. Die Vermittlung der Beteiligung erfolgte auf der Grundlage eines Emissionsprospektes.
Bis einschließlich 1997 erhielt die Klägerin aus der ... Immobilien-Anlage 26 die prospektierten Ausschüttungen, was insgesamt zirka 28 % des einbezahlten Betrages ausmachte. Weitere Ausschüttungen erfolgten nicht. Zu Ausschüttungen der ... Immobilien-Anlage 30, welche beginnend ab dem Jahr 1995 erfolgten sollten, kam es nicht. Aufgrund der wirtschaftlichen Situation der Fondsgesellschaften hat die Klägerin praktisch einen Totalverlust erlitten.
Die Klägerin begehrt wegen dieser Beteiligung Schadensersatz, da sie vor Abschluss der Beteiligung nicht auf die Risiken der Beteiligung hingewiesen worden sei. Der Anspruch richtet sich einerseits gegen die ...-Bank AG, andererseits gegen die vermittelnde ... bank ... .
Mit Schreiben vom 08.04.2009 zeigte die Partnerschaftsgesellschaft ... Rechtsanwälte gegenüber der Beklagten die Interessenvertretung der Klägerin an und bat um Erteilung einer Deckungszusage und die Gewährung von Kostenschutz für die außergerichtliche Tätigkeit bezüglich der Geltendmachung der Ansprüche gegenüber der ... bank .... Dem Antrag auf Gewährung der Deckungszusage war das an die ... bank ... gerichtete Anspruchsschreiben in Kopie beigefügt (vgl. Anl. K 3).
Die Beklagte erklärte daraufhin mit Schreiben vom 16.04.2009 (Anl. K 4) unter Verweis auf eine sich aus dem Versicherungsvertrag ergebende Kostenobliegenheit, dass sie keine Notwendigkeit für ein getrenntes Vorgehen gegen die beratende Volksbank als Vertriebspartnerin der ...-Bank AG erkennen könne, da sich die ...-Bank AG etwaige Beratungsfehler der ... bank ... zurechnen lassen müsse. Ein Vorgehen gegen die ...-Bank AG sei aufgrund dessen ausreichend, um Ansprüche der Klägerin durchzusetzen. In dieser Angelegenheit sei Deckung erteilt worden. Es bestünde die Pflicht, den kostengünstigsten Weg zu wählen. Mit Schreiben vom 10.07.2009 (Anl. K 8) hat die Beklagte die beantragte Kostenübernahme für die außergerichtliche Verfolgung von Schadensersatzansprüchen gegen die ... bank ... verweigert.
Durch die ...-Bank AG wurde der geltend gemachten Anspruch der Klägerin auf Schadensersatz mit Schreiben vom 08.12.2008 (Anl. K 6) abgelehnt. Die ... bank ... lehnte mit Schreiben vom 20.05.2009 (Anl. K 7) einen Schadensersatzanspruch aus Beratungshaftung ab. Unter Darlegung des Inhalts dieser Schreiben wurde die Beklagte dazu aufgefordert, Deckungszusage für die gerichtliche Interessenvertretung in 1. Instanz zu erteilen. Dem ist die Beklagte bislang nicht nachgekommen.
Die Klägerin vertritt die Auffassung, die geltend gemachten Ansprüche stünden ihr aus § 26 Abs. 1, Abs. 5 b ARB 75 zu. Die Beklagte berufe sich zu Unrecht auf die Obliegenheit nach § 15 Abs. 1 d) cc) ARB 75. Eine unnötige Erhöhung der Kosten sei vorliegend nicht gegeben, da hier eine getrennte Prozessführung gegen die ...-Bank AG und die ... bank ... angezeigt sei. Die ...-Bank AG müsse sich – entgegen der Rechtsauffassung der Beklagten – das Verhalten der ... bank ... nicht voll umfänglich zurechnen lassen.
Die Pflicht zur Erteilung der Deckungszusage ergebe sich darüber hinaus aus § 17 ARB 75. Die beabsichtigte Rechtsverfolgung biete hinreichende Aussicht auf Erfolg und erscheine nicht mutwillig. Unter Berücksichtigung der Sach- und Rechtslage sowie der Interessenlage der Klägerin sei eine gegen die ... bank ... gerichtete Klage weder sinnlos noch könne sie als in hohem Maße unvernünftige rechtliche Maßnahme angesehen werden. Für den Fall, dass der Versicherer seine Leistungspflicht nach § 17 Abs. 1 ARB 75 verneine, weil die Wahrnehmung der rechtlichen Interessen keine hinreichende Aussicht auf Erfolg biete oder mutwillig sei, habe der Versicherungsvertrag gemäß § 158 n) Abs. 1 Satz 1 VVG a. F. (§ 128 VVG 2008) ein Gutachterverfahren oder ein anderes Verfahren mit vergleichbaren Garantien für die Objektivität vorzusehen, in dem Meinungsverschiedenheiten zwischen den Parteien über die Erfolgsaussichten oder die Mutwilligkeit einer Rechtverfolgung entschieden würden. Eine solche Regelung finde sich in § 17 der hier maßgeblichen Versicherungsbedingungen. Nach § 128 Satz 2 VVG habe der Versicherer den Versicherungsnehmer bei Verneinung seiner Leistungspflicht hierauf hinzuweisen. Dieser Hinweispflicht sei die Beklagte nicht nachgekommen. Bei Unterlassen eines entsprechenden Hinweises gelte das Rechtsschutzbedürfnis des Versicherungsnehmers im Einzelfall als anerkannt.
Die Beklagte sei damit verpflichtet, die Klägerin von den Kosten für die bereits erfolgte außergerichtliche Inanspruchnahme der ... bank ... freizustellen. Der Gegenstandswert berechne sich nach dem der Klägerin durch die unzureichende Beratung entstandenen Schaden, welcher ausweislich des Anspruchsschreibens vom 08.05.2009 (Anl. K 5) 22.976,95 Euro betrage. Unter Zugrundelegung des § 14 RVG sei wegen der Schwierigkeit der anwaltlichen Tätigkeit sowie der Bedeutung der Angelegenheit der Ansatz einer 2,0-Geschäftsgebühr angemessen, woraus sich eine Gebührenforderung in Höhe von 1.656,48 Euro ergebe.
Im Übrigen sei die Beklagte verpflichtet, der Klägerin Versicherungsschutz für die gesamtschuldnerische Inanspruchnahme der ...-Bank AG sowie der ... bank ... in 1. Instanz zu gewähren.
Die Klägerin beantragt:
1. Die Beklagte wird verurteilt, die Klägerin von der Verbindlichkeit aus der Kostenrechnung der Rechtsanwaltskanzlei ... Rechtsanwälte Partnerschaft, ... vom 04.11.2009, AZ: 08443-09/De/JM, in Höhe von 1.656,48 Euro zuzüglich Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit freizustellen.
2. Die Beklagte ist verpflichtet, der Klägerin für die gesamtschuldnerische Inanspruchnahme der ... bank ... eG sowie die ...-Bank AG aufgrund der Vermittlung einer Beteiligung an dem geschlossenen Immobilienfonds ... Immobilien-Anlage 26 sowie dem geschlossenen Immobilienfonds ... Immobilien-Anlage D 30 Versicherungsschutz für die Durchführung des gerichtlichen Verfahrens in 1. Instanz zu bestätigen.
Die Beklagte beantragt, die Klage kostenpflichtig abzuweisen.
Die Beklagte ist der Auffassung, dass es sich bei dem rechtlichen Vorgehen der Klägerin gegen die ...-Bank AG einerseits und die vermittelnde ... bank ... andererseits um eine Angelegenheit im Sinne des § 15 Abs. 2 RVG handele. Dieser Tätigkeit der klägerischen Bevollmächtigten liege ein einheitlicher Auftrag zugrunde. Die Klägerin habe bei einer Kapitalanlage einen Schaden erlitten und wolle diesen erstattet haben. An diesem einheitlichen Sachverhalt ändere sich auch dadurch nichts, dass sich die Verantwortungsbereiche der beiden Banken nicht unbedingt deckten. Es gehe aber um denselben Auftrag und demselben Schaden. Selbst wenn die Klägerin vorliegend beim Vorgehen gegen die ... bank ... einen gesonderten – zweiten – Auftrag erteilt hätte, handle es sich aufgrund des inneren Zusammenhangs und des gleichen Lebenssachverhaltes um einen einheitlichen Auftrag, völlig unabhängig davon, dass eine Erweiterung des ursprünglichen Auftrags vorliege. Nach § 15 Abs. 1 d) cc) ARB 75 sei die Klägerin deshalb gehalten, alle Beteiligten in einem Verfahren in Anspruch zu nehmen, nachdem sie nach dem ARB alles zu vermeiden habe, was eine unnötige Erhöhung der Kosten verursachen könnte, soweit ihre Interessen als Versicherungsnehmerin dadurch nicht unbillig beeinträchtigt würden. Vorliegend habe die Beklagte schon Deckungsschutz erteilt für das außergerichtliche Vorgehen gegen die ...-Bank AG und habe die insoweit erstattungsfähigen Kosten unter Berücksichtigung einer 1,3-Geschäftsgebühr auch schon bezahlt.
Die Klägerin habe bezüglich des Klagantrags Ziff. 1 auch nicht vorgetragen, weshalb eine deutlich über einer 1,3-Geschäftsgebühr liegende Gebühr angefallen sein soll.
Bezüglich des Klagantrags Ziff. 2 habe die Beklagte bisher keine Deckungszusage erteilen können, da die klägerischen Bevollmächtigten die Anfragen der Beklagten nicht ordnungsgemäß und vollständig beantworte hätten, so dass die Beklagte die Frage der Erfolgsaussicht nicht abschließend habe prüfen können. Mit Schreiben vom 6.11.2007 und 13.06.2008 (Anl. B 3 u. B 4) hätte die Beklagte um Mitteilung gebeten, wann genau durch welche Handlung oder Unterlassung die einzelnen Tatbestandsmerkmale welcher Rechtsvorschrift verwirklich worden sein sollen und welcher adäquat kausale Schaden hierdurch verursacht worden sein soll. Auch habe die Beklagte um Aufklärung hinsichtlich der Verjährungsproblematik gebeten. Diese Fragen seien nicht abschließend beantwortet worden.
Die Klägerin trägt dazu vor, die Beklagte habe in einem Schreiben vom 30.09.2008 (Anl. K 17) darauf hingewiesen, dass in einem Parallelverfahren mit den Prozessbevollmächtigten der Klägerin eine Einigung dahingehend getroffen worden sei, den Ausgang dieses Verfahrens abzuwarten. Das von der Beklagten in dem Schreiben angesprochene Klageverfahren in der Parallelangelegenheit sei bereits rechtskräftig abgeschlossen und habe mit einem positiven Urteil für die Mandantschaft der ... Rechtsanwalt Partnerschaft gegen die Beklagte geendet. Im Anschluss hieran habe die Beklagte vorbehaltlos Deckungszusage für das außergerichtliche Verfahren gegen die ...-Bank AG erteilt (vgl. Anl. K 16). Die nunmehr erhobenen Einreden bezüglich der Nachfragen zur Verjährung seien folglich irrelevant, da das hier streitgegenständliche Verfahren die angeforderte Deckungszusage gegen die Volksbank betreffe.
Hinsichtlich des weiteren Vortrags der Parteien wird auf die gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen sowie das Protokoll über die mündlichen Verhandlung vom 18.03.2010 (Bl. 224/225 d. A.) Bezug genommen.
Die Klägerin hat die Klage zunächst beim Landgericht Heilbronn rechtshängig gemacht. Dieses hat sich durch Beschluss vom 27.01.2010 (Bl. 200/202 d. A.) für örtlich unzuständig erklärt und den Rechtsstreit auf Antrag der Klägerin an das Landgericht Stuttgart verwiesen.
Entscheidungsgründe
Die in zulässiger Weise erhobene Klage hat nur teilweise Erfolg. Die Beklagte ist verpflichtet, der Klägerin Deckung für die gesamtschuldnerische Inanspruchnahme der ... bank ... sowie der ...-Bank AG aufgrund der Vermittlung einer Beteiligung an den geschlossenen Immobilienfonds ... Immobilien-Anlage 26 und ... Immobilien-Anlage 30 zu gewähren. Ein Anspruch auf Freistellung von Rechtsanwaltsgebühren für das außergerichtliche Vorgehen gegen die ... bank ... besteht demgegenüber nicht.
1. Die Beklagte ist verpflichtet, der Klägerin Deckungsschutz für die gesamtschuldnerische gerichtliche Inanspruchnahme der ... bank ... sowie der ...-Bank AG wegen der Vermittlung einer Beteiligung an den geschlossenen Immobilienfonds ... Immobilien-Anlage 26 und 30 zu gewähren.
Nach § 17 Abs. 1 ARB 75 kann der Versicherer seine Leistungspflicht verneinen, wenn er der Auffassung ist, dass die Wahrnehmung der rechtlichen Interessen des Versicherungsnehmers keine hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet oder mutwillig erscheint. Dies hat er dem Versicherungsnehmer unter Angabe der Gründe unverzüglich schriftlich mitzuteilen. Für die Verneinung der Leistungspflicht nach § 17 Abs. 1 Nr. 1 AGB 75 reicht es nicht aus, dass der Versicherer Bedenken zur Erfolgsaussicht äußert (vgl. Prölss/Martin/Armbrüster, VVG, 27. Auflage, § 17 ARB 75 Rnr. 4) oder weitere Informationen anfordert, statt die erbetene Deckungszusage zu erteilen. Die Pflicht des § 17 Abs. 1 Satz 1 ARB 75 bedeutet, dass der Versicherer die Erfolgsaussichten unverzüglich prüfen und dem Versicherungsnehmer eine negatives Ergebnis dieser Prüfung unverzüglich mitteilen muss. Sie beginnt mit der vollständigen Unterrichtung des Versicherers über den Streitstand (vgl. Prölss/Martin/Armbrüster, a. a. O., Rnr. 5). Unterbleibt in der dem Versicherer zur Verfügung stehenden Zeit von zwei bis drei Wochen eine Stellungnahme, so kann sich der Versicherer nicht mehr auf fehlende Erfolgsaussicht berufen (vgl. BGH, VersR 2003, 638). Nach § 17 Abs. 1 Satz 1 ARB 75 kann der Versicherer seine Leistungspflicht verneinen, wenn er der Auffassung ist, die Wahrnehmung der rechtlichen Interessen des Versicherungsnehmers gebe keine hinreichende Aussicht auf Erfolg oder erscheine mutwillig. Macht er von seinem Ablehnungsrecht gebrauch, hat er dies nach Satz 2 der Bestimmung dem Versicherungsnehmer unter Angabe der Gründe unverzüglich schriftlich mitzuteilen. Schon dieser Zusammenhang zwischen Satz 1 und Satz 2 legt es nahe, dass die Ablehnung innerhalb des Zeitraums erfolgen muss und auch nur erfolgen kann, den der Versicherer bei sachgerechter, nicht schuldhaft verzögerter Prüfung für seine Entschließung benötigt. Der Versicherer ist nicht nur gehalten, die Leistungsablehnung wegen fehlender Erfolgsaussicht oder Mutwilligkeit dem Versicherungsnehmer unverzüglich mitzuteilen, sondern auch die Prüfung der Erfolgsaussicht unverzüglich vorzunehmen. Ein Verstoß gegen diese Verpflichtung hat auf Seiten des Versicherer den Verlust von dessen Ablehnungsrecht zur Folge (vgl. BGH, a. a. O.).
Die Beklagte hat zwar mit ihren Schreiben vom 06.11.2007 und 13.06.2008 (Anl. B 3 und B 4) die Klägerin zu einem "substantiierten Sachvortrag" aufgefordert, insbesondere um die Frage einer Verjährung der klägerischen Ansprüche gegen die Banken prüfen zu können. Nach Übersendung der Anspruchsbegründungsschreiben der klägerischen Anwälte vom 15.04.2009 (Anl. K 3) und vom 18.11.2008 (Anl. K 12/Bl. 223 d. A.) hätte eine abschließende Prüfung der Beklagten erfolgen können und diese wäre verpflichtet gewesen, dem Versicherungsnehmer eine etwaige Ablehnung ihrer Leistungspflicht mitzuteilen. Dieser Hinweispflicht ist die Beklagte vorliegend nicht nachgekommen. Soweit Schreiben vorliegen, die eine Leistungsverweigerung enthalten, beziehen sich diese auf die Freistellung von außergerichtlich entstandenen Anwaltskosten, nicht aber auf die beabsichtigte Klagerhebung gegen beide Banken als Gesamtschuldner.
Die Deckungsklage der Klägerin ist damit im Ergebnis begründet.
2. Soweit die Klägerin mit dem Klagantrag Ziff. 1 die Freistellung von bereits entstandenen Rechtsanwaltskosten für das außergerichtliche Vorgehen gegen die ... bank ... begehrt, ist ihre Klage unbegründet. Vorliegend steht den Prozessbevollmächtigten der Klägerin ein gesonderter gesetzlicher Vergütungsanspruch für das außergerichtliche Vorgehen gegen die ... bank ... nicht zu. Es handelt sich bei dem rechtlichen Vorgehen gegen die ...-Bank AG einerseits und die ... bank ... andererseits um dieselbe Angelegenheit nach § 15 Abs. 3 RVG. Die Frage, ob dieselbe Angelegenheit oder verschiedene Angelegenheiten vorliegen, richtet sich im konkreten Einzelfall nach den gesamten Umständen (vgl. Hartmann, Kostengesetze, 38. Auflage, § 15 RVG Rnr. 14 f.). Eine einheitliche Angelegenheit liegt insbesondere bei einem außergerichtlichen Vorgehen vor, wenn ihr ein einheitlicher Auftrag zugrunde liegt, das Vorgehen sich im gleichen Rahmen hält und ein innerer Zusammenhang besteht. Diese Voraussetzungen sind hier gegeben. Durch die Inanspruchnahme der ...-Bank AG als Gründungs- und Treuhandkommanditistin der jeweiligen Fondsgesellschaften und der ... bank ... als Anlagevermittlerin in separaten Verfahren, hat die Klägerin einen einheitlichen Lebenssachverhalt einer separaten rechtlichen Klärung zuführen wollen, obwohl beide Ansprüche im Wesentlichen auf eine Falschberatung im Rahmen der Anlagevermittlung gestützt werden. Das außergerichtliche Vorgehen gegen die ... bank ... und die ...-Bank AG steht in einem engen zeitlichen Zusammenhang und bildet damit vergütungsrechtlich eine einheitliche Angelegenheit.
Soweit durch die getrennte außergerichtliche Geltendmachung erhöhte Kosten verursacht worden sein sollten, hätte die Klägerin dadurch jedenfalls gegen die vertragliche Obliegenheit nach § 15 Abs. 1 d) cc) ARB 75 (soweit die ARB 2007 Anwendung finden sollten, ergibt sich die Obliegenheitsverletzung aus § 17 Abs. 5 c), alles zu vermeiden, was eine unnötige Erhöhung der Kosten verursachen könnte, verstoßen, so dass die Beklagte ebenfalls leistungsfrei ist. Eine Obliegenheitsverletzung ist der Klägerin deshalb vorzuwerfen, weil sie außergerichtlich die ... bank ... und die ...-Bank AG in separaten Verfahren in Anspruch genommen und hierfür höhere vorgerichtliche Rechtsanwaltskosten verursacht hat. Dafür lagen keine zwingenden Gründe vor. Aufgrund der möglichen gesamtschuldnerischen Haftung der bei der Kapitalanlage beteiligten Banken ist es naheliegend, diese in einem gerichtlichen Verfahren in Anspruch zu nehmen. Dementsprechend wäre es auch bereits im Rahmen der Abfassung von außergerichtlichen Anspruchsschreibens möglich und geboten gewesen, an beide Banken gemeinsam heranzutreten und die von der Klägerin behaupteten Schadensersatzforderungen zu stellen. Durch die vorgenommene Trennung der Inanspruchnahme der ... bank ... als Anlagevermittlerin einerseits und der ... Bank AG als Treuhandkommanditistin wird derselbe Lebenssachverhalt einer separaten rechtlichen Klärung zugeführt, was die Entstehung höherer Kosten zur Folge hat. Dies soll durch die Regelung in § 15 Abs. 1 d) cc) ARB 75 aber gerade verhindert werden (vgl. LG Düsseldorf, 11 O 279/06 – Urt. 25.01.2007, vorgelegt mit der Klagerwiderung).
3. Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 92 Abs. 1, 281 Abs. 3 Satz 2 ZPO.
Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit ergibt sich aus § 708 Nr. 11, 711 ZPO.
LG Stuttgart 16. Zivilkammer
Entscheidungsdatum: 22.04.2010
Aktenzeichen: 16 O 45/10